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RÜCKSCHAU ZUM 5. KULTURPOLITISCHEN SALON »STADT ALS BÜHNE – KUNST UND KULTUR IM ÖFFENTLICHEN RAUM«

URBANES FACELIFTING ODER KULTURELLE VITALISIERUNG?

von Holger Möller, Arbeitsgruppe Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Seit jeher nimmt die Stadt in Verbindung mit dem Kulturellen eine zentrale Position ein. Sie ist nicht nur Urheber und Reservoir, sondern auch Vermittler und Transformator kultureller Erscheinungsformen. Doch welche Bedeutung fällt Kunst und Kultur in Zeiten der post-fordistischen Stadtentwicklung zu? Welche Raum-Angebote bestehen? Und welche Aneignungskonflikte treten bei der Nachfrage nach den »städtischen Bühnen« auf?

Der Verlust an Öffentlichkeit sei ein wesentliches Merkmal der modernen Stadt, konstatierte Albrecht Göschel in seinem Eingangsreferat. Die städtebaulichen und architektonischen Gestaltungsprinzipien der klassischen Moderne mit der eindeutigen Zuordnung von Funktionen zu Räumen habe zu einer Teilung des städtischen Ganzen geführt. Die Folge: ein zunehmender Kontrast zwischen edel-gestylten Innenstädten und degradierten Quartieren sowie die zunehmende Privatisierung ehemals öffentlicher Räume in Form von Shopping-Malls oder Passagen. Ein wesentliches Definitionsmerkmal von Stadt – nach Georg Simmel die Begegnung mit dem Fremden – gehe dadurch verloren. Der Versuch, durch künstlerische Interventionen, die Erlebnisdimension dem öffentlichen Raum zurückzugeben, ist nach Göschel allerdings durch den Mangel des Informellen häufig zum Scheitern verurteilt. Die Redekultur wie die Speaker's Corner im Londoner Hyde Park lässt sich nicht durch eine Betonkopie nach München-Schwabing transportieren.

»So viel Öffentlichkeit gab es noch nie!«, lautete dagegen die Position von Regina Bittner. Nicht der Verlust an Öffentlichkeit, sondern die Bedeutungsverlagerung von physischen zu empfundenen Räumen kennzeichne die Bühnen der Stadt. Die strenge funktionale Raumaufteilung sei im Auflösen begriffen. Nach Meinung der Kulturwissenschaftlerin unterliegt die Bindung der Milieus an bestimmte Orte einer zunehmenden Erosion infolge der Individualisierung. Gleichzeitig erfahren wir eine Verlagerung von öffentlichen Praktiken an nicht vorgegebene Orte – und dies nicht immer konfliktfrei. Sind also die Skater vor der Berliner Nationalgalerie die wahren Anhänger einer Moderne im Sinne von Mies van der Rohe?

Ein positives Bild künstlerischer Vitalisierung von funktionsleeren Lokalitäten versuchte Gunnar Volkmann aufzuzeigen. Damit widersprach er Albrecht Göschel, der in der Zwischennutzung von Industriebrachen nicht die vielfach erhoffte kreative Nachhaltigkeit beobachten kann. Die Bespielung von ehemaligen Industriebrachen hinterlasse nicht nur temporäre Impulse, sondern fordere zu einer intensiveren Reflexion mit dem Ort seiner Vergangenheit und Zukunft heraus. Und dies nicht nur bei einer kunstinteressierten Mittelschicht, sondern auch bei betroffenen Arbeitern. Für Leipzig zeugen dafür Aktionen wie auf der Abraumbrücke 18 (Leipziger Tagebau) oder die symbolische Aussaat auf dem Jahrtausendfeld in Leipzig-Plagwitz.

Dass solche brachgefallenen Resträume auch in langfristigen ökonomischen Szenarien nicht nur als Ballast bewertet werden, kann vielleicht für einige Regionen als Beruhigung dienen. Zumindest nach der Beurteilung durch den Leiter des Future Instituts, Roman Retzbach, können Städte mit ihren funktionslosen Freiräumen gegenüber verdichteten Agglomerationen mit Bewertungsvorteilen rechnen.

Eine verstärkt kulturpolitische Färbung erfuhr die Diskussion durch die Einbeziehung des Publikums. Kritik wurde besonders an einer Politik geübt, die immer mehr auf eine innerstädtische Asthetisierung - sei es durch millionenschwere Museumsneubauten oder historisierende Rekonstruktionen - setzt und gleichzeitig die kulturelle Basis in anderen Stadtteilen vernachlässigt. Doch welche anderen Optionen gibt es für die städtischen Verantwortlichen in Zeiten, in denen sich die Konkurrenz um die »Ökonomie der Symbole« verstärkt?

Trotz der Einsicht, dass ein Ausstieg aus diesem Wachstumsmodell einen weiteren ökonomischen Niedergang bedeutet und derzeit demokratisch nicht zu legitimieren sei, bleibt ein Unbehagen bestehen. Welche Strategien können oder müssen für Städte entworfen werden, die in diesem Lottospiel um (Fassaden-) Wohlstand das Spielfeld nicht als Sieger verlassen. Gerade für Ostdeutschland stellt sich die Frage, wie sich die vielerorts funktional geprägten Stadträume im Wettbewerb um historische Identität positionieren können. In diesem Sinne wird ein Kulturpolitischer Salon im kommenden Jahr zum Thema "Umgang mit der Nachkriegs-Moderne in Ostdeutschland" zu weiteren Fragen und Antworten einladen.

Es diskutierten:

Der 5. Kulturpolitische Salon zum Thema »Stadt als Bühne - Kunst und Kultur im öffentlichen Raum« fand am 10. September 2004 um 20 Uhr in der  Oper Leipzig statt.

 

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